Diagnose Mastzelltumor beim Hund

Im Herbst 2017 entdeckten wir zum ersten Mal einen Knubbel in Sandys Gesicht. Links an der Lefze neben der Nase war er plötzlich da, und wir hielten ihn zunächst für einen Insektenstich. Da Sandy keinerlei Probleme hatte, d. h. die Schwellung offenbar weder schmerzte noch juckte, machten wir uns keine besonders großen Sorgen. Nach ein paar Tagen war der Knubbel fast nicht mehr zu sehen. Dann war er irgendwann wieder deutlich sichtbar und größer als zuvor. Es war Wochenende, und da mir das Problem noch nicht akut schien, wollte ich bis Anfang der Woche mit einem Tierarztbesuch warten. Der Knubbel wurde wieder kleiner, Sandy war weiterhin fit, und so gingen wir davon aus, dass es - alterstypisch - ein Lipom sei, das da gewachsen war. So wurde es Anfang 2018, bis wir beim Tierarzt waren.

Der Tierarzt schaute sich Sandy genau an und tastete auch den Knubbel vorsichtig ab. Er sagte, er könne ohne Probe natürlich nicht bestimmen, um was es sich genau handelt, halte das aber für sehr wahrscheinlich eher harmlos. Auch seine Vermutung: ein Lipom - bei Hunden in Sandys Alter nicht ungewöhnlich, und sie hatte ja auch schon ein kleines im Brustbereich. Wegen der ungünstigen Position im Gesicht wolle er ungern mit einer Nadel dort hantieren. Dabei beließen wir es dann auch vorerst.

Im April, als ich mit Sandy und Kari erneut zum Tierarzt musste, um beide vor unserem Urlaub durchchecken und impfen zu lassen, war der Knubbel zufällig gerade wieder recht groß. Der Tierarzt runzelte die Stirn und wollte nun eigentlich doch ganz gern eine Probe ins Labor geben - nur die Nadel halt ...? Ich gab ihm mein OK und versicherte ihm, dass Sandy keinen Zirkus machen würde. So stand sie dann auch völlig brav und bewegungslos auf dem Untersuchungstisch und ließ sich die Nadel in den Knubbel stechen, ohne mit der Wimper zu zucken.

Flüssigkeit war nicht drin; es ließ sich mit der Spritze nichts aus der Beule ziehen. Der Tierarzt machte zwei Ausstriche auf Objektträgern, die dann ins Labor geschickt wurden, und eineinhalb Wochen später bekamen wir das Ergebnis.

Ich rief recht gelassen beim Tierarzt an, weil ich fest mit der Bestätigung, dass es ein Lipom sei, gerechnet hatte. Als er mir jedoch berichten musste, dass es ein Mastzelltumor ist, fiel ich aus allen Wolken und packte Sandy umgehend ins Auto, um persönlich mit ihm darüber zu reden. Ich hatte zwar schon mal irgendwann davon gehört, wusste aber im Prinzip rein gar nichts über diesen Tumor. Auf die Schnelle hatte ich nur gegoogelt, dass so ein Tumor schnellstmöglich operativ entfernt werden muss. So war ich fest entschlossen, den Tierarzt zu überreden, Sandy sofort - es war Freitag Mittag - und noch vor dem Wochenende zu operieren.

Der Mastzelltumor in seiner durchschnittlichen Ausprägung. An manchen Tagen ist er kleiner, an anderen größer.

Mastzelltumor: Operieren oder nicht? Alternativen?

Im Wartezimmer hatte ich fast zwei Stunden Zeit, im Internet zu recherchieren. Nach und nach ging mir auf: Eine Operation geht ja gar nicht ohne Weiteres. Der Mastzelltumor muss großflächig, also mit 2-3 cm Abstand zum gesunden Gewebe, herausgeschnitten werden. Aber an der Stelle, wo Sandy ihn hat, großzügig wegschneiden? Dann hätte sie ein Loch im Gesicht.

Bestrahlung ist eine weitere Möglichkeit. Allerdings wird diese eigentlich erst nach einer Operation eingesetzt. Das große Problem: Für jede Bestrahlung muss der Hund narkotisiert werden, und es sind wohl zwischen 8 und 12 Sitzungen notwendig.

Eine Chemotherapie für einen Hund in diesem Alter?

Ich las einen Artikel nach dem anderen, und nach und nach reifte ein Entschluss in mir. Als ich endlich mit Sandy in den Behandlungsraum gebeten wurde, war ich mir meiner Sache sehr sicher und entschlossen, meine Entscheidung zu verteidigen. Aber das musste ich gar nicht ...

Der Tierarzt erläuterte mir noch ein paar Dinge, die ich gerade zuvor auch schon gelesen hatte. Ich wusste also, dass noch eine Biopsie erfolgen müsste, um den Grad des Tumors zu bestimmen. Man könne den Tumor zumindest teilweise operativ entfernen. Allerdings erhöht das kaum die Heilungschancen, da er ja vollständig entfernt werden müsste. Obendrein hatte ich hier und da gelesen, dass ein Mastzellentumor erst recht zu streuen beginnt, wenn man an ihm herumschneidet. (Auf anderen Seiten wurde das als falsche Behauptung dargestellt - ich weiß nicht, was stimmt!)

Es gibt mittlerweile wohl auch zwei recht neue Medikamente auf dem Markt, aber ich hatte von schlimmen Nebenwirkungen gelesen, und der Doc riet selbst davon ab.

Ich antwortete also zu unserem Tierarzt, dass mir mein Gefühl sagt, dass wir gar nichts tun sollten. Keine Medikamente, keine Chemo, keine Bestrahlung und auch keine Operation. Sandy war zu dem Zeitpunkt fast vierzehn Jahre alt, topfit, gesund, lebensfroh, lief wieder 12 Kilometer am Fahrrad, schwamm mit Feuereifer, ohne ein Ende zu finden - kurz gesagt: Sie war ein rundum glücklicher Hund mit einem tollen Leben und konnte trotz ihres hohen Alters noch viele Dinge tun, die jüngere Hunde schon nicht mehr schaffen. Wenn wir ihr jetzt einen größeren Eingriff zumuteten, würde sie diesen Zustand vermutlich nie wieder erreichen. Sie hätte wochen- oder monatelang Schmerzen. Wir würden abrupt ihre tolle Konstitution beenden und wussten nicht mit Gewissheit, dass sie irgend einen Vorteil davon hatte, aber auf jeden Fall einen hohen Preis bezahlen musste. Auch wollte ich keine Biopsie zur näheren Bestimmung, denn dieses Wissen würde nichts ändern.

Unser Tierarzt stimmte mir - frohen Herzens, so schien es mir - zu. Ebenso mein Mann. Und jeder, mit dem ich darüber ausführlicher sprach.

Ich verließ die Praxis daher ohne Behandlungsplan und einerseits tieftraurig, andererseits aber auch auf gewisse Weise optimistisch - aber vor allem entschlossen, mit Sandy noch eine großartige Zeit zu haben, egal, wie viel uns davon noch geschenkt werden würde. (Es waren zwei Jahre.)

Unseren bevorstehenden Urlaub, den ich kurz nach Erhalt der Diagnose noch stornieren wollte, traten wir drei Wochen später an. Uwe, Kari (10 Jahre), Sandy (fast 14) und ich verbrachten zwei wunderschöne Wochen auf Korsika. Wir plantschten im Meer und im Privatpool der Vermieterin unseres Ferienhauses, wanderten ein wenig und lagen oft einfach im Gras im Halbschatten unseres Gartens. Es war vielleicht (oder sogar wahrscheinlich) unser letzter gemeinsamer Urlaub. Das war uns von vornherein klar. Das tat wahnsinnig weh, aber gleichzeitig war es auch irgendwie ein Geschenk, das zu wissen und die Zeit entsprechend bewusster und intensiver zu genießen.

[Einschub aus Juli 2022] Es war nicht unser letzter Urlaub. Ein Jahr später schwamm Sandy in Kroatien. Das war 2019. Sie starb 2020 wenige Tage, bevor wir erneut in den Urlaub gefahren wären – wenn das nicht sowieso durch Corona verhindert worden wäre.
Gerade erinnerte ich mich daran, wie ich nach der Diagnose selbst wie eine Verrückte recherchierte. Ich fand in einem Hundeforum einen Bericht von einem Hund mit MZT. Sein Frauchen berichtete über Monate immer wieder den aktuellen Status. Irgendwann kamen die Updates im Jahresabstand: "Wir haben seinen 12. Geburtstag gefeiert". "Seinen 13. Geburtstag gefeiert." "Er ist 14." Mir liefen damals die Tränen, und ich habe mich immer wieder an diesen positiven Bericht geklammert, um den Mut nicht zu verlieren. Heute kann ich sagen, dass wir dieses Glück auch hatten. Fast 16! Also hofft, so lange es noch Hoffnung gibt!

Sandy liebt das Meer. In Momenten wie diesem ist man sich sicher, die richtige Entscheidung getroffen zu haben.

Mastzelltumor und Ernährung: Öl-Eiweiß-Kost

So ganz untätig wollte ich nicht sein, und so las ich einiges über die Ernährung von Hunden mit Krebserkrankungen. Schnell stieß ich auf die Öl-Eiweiß-Kost aus der alternativen Krebs-Therapie. Der Grundgedanke ist, dass Krebspatienten mehr Fette und weniger Kohlenhydrate benötigen; der Krebs "mag" keine Vitamine und keine Omega-3-Fettsäuren, während er sich von Kohlenhydraten quasi nährt. (Entschuldigt bitte diese laienhaften Ausführungen; so hab ich es mir gemerkt, aber fundiert erklären können es andere besser.)

Kurz zusammengefasst habe ich bei Sandys Ernährung folgende Dinge verändert bzw. ergänzt:

  • Sie bekommt nach wie vor ein hochwertiges Nassfutter (ohne Getreide, tierische Nebenerzeugnisse, Füll-, Farb-, Aroma- und Lockstoffe), ab und zu gekochtes oder gebratenes Hühnchenfleisch, Geflügelherzen und -leber. Leber gibt es für sie nun auch etwas häufiger, weil ich mehrfach gelesen habe, dass Leber gut bei Tumorerkrankungen sein soll.
  • Kohlenhydrate vermeide ich weitgehend, d. h. nun auch keine Kartoffeln oder Reis mehr im Futter (Ausnahme sind unsere Leckerchen, da sind Kartoffeln enthalten).
  • Täglich bekommt Sandy eine Portion Quark oder Hüttenkäse mit Leinöl. Insgesamt bekommt sie insgesamt etwa 4 EL Leinöl täglich über das Futter verabreicht, d. h. zu den normalen Mahlzeiten auch. Sie verträgt das übrigens super - von Durchfall, wie ich es befürchtet hatte, keine Spur!
  • Obst, besonders Beeren, und Gemüse gibt es püriert zum Futter dazu.
Ich bestelle Leinöl direkt in größeren Menge über Amazon*. Mit 1,5 Litern kommen wir etwa sechs Wochen aus.

Ich gestehe, ich klammere mich ein wenig an die Hoffnung, dass ich den Mastzelltumor damit in Schach halten kann. Natürlich träume ich insgeheim davon, dass er ganz verschwindet. (Ja, auch das soll es schon gegeben haben!) Wenn uns diese kleine Ernährungsumstellung ein bisschen mehr Zeit verschafft, um so besser. Wir werden es nicht erfahren, aber mir gibt es ein besseres Gefühl, und Sandy schmeckt es.

Krebs? Doch nur ein Tier, das Wasser liebt. So wie Sandy. Mehr weiß sie nicht, und das ist gut so.

Fazit: Sicher ist nur eines ...

... nämlich dass wir alle eines Tages sterben – so auch Sandy. Ich hatte wahnsinnige Angst davor. Die Trauer um sie wird mich immer begleiten, aber ich bin wirklich dankbar, dass wir so viele schöne Jahre mit ihr hatten.

Zu ihren Lebzeiten habe ich versucht, der Angst nicht zu viel Platz einzuräumen, jeden Tag mit ihr und, Kari und Sookie zu genießen und  ihnen eine schöne Zeit zu schenken. Die schenke ich mir damit ja auch.

Ich habe mich anfangs gefragt, ob ich nicht hätte mehr tun können, wenn wir den Knoten an Sandys Schnauze früher hätten untersuchen lassen und habe mir Vorwürfe deswegen gemacht. Aber es hätte nichts geändert. Ich bin mir mittlerweile sicher, dass wir wenige Monate früher dieselbe Entscheidung getroffen hätten.

Im Grunde war der Tumor, der stets in Sandys wunderschönem Gesicht sichtbar war, für mich wie ein Reminder: Genieß die Zeit! Sollten wir sowieso immer tun. Vergessen wir nur leider allzu schnell. Von daher ist das ein positiver Effekt, dem ich der ganzen Sache abgewinnen konnte. Pessimismus bringt uns ja auch nicht weiter.

Hund mit Mastzelltumor an der Schnauze, stark angeschwollen
An manchen Tagen schwillt der Mastzellentumor für ein paar Stunden auf beängstigende Größe an.
Durch Wärme (z. B. warmer Waschlappen) und vorsichtiges Massieren geht die Schwellung etwas schneller zurück.

Update: Ergänzender Artikel

Da es ein paar neue Erfahrungen gibt und ich diesen Artikel nicht zu lang und unübersichtlich werden lassen möchte, gibt es hier einen neuen: Therapie des Mastzelltumors

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