Das Cauda Equina Syndrom beim Hund: Erfahrungen und Therapie

[letztes Artikelupdate: 02/2020]

Im Sommer 2017 ließ ich Sandys Wirbelsäule röntgen. Ich hatte einen Termin bei der auf Tierphysio spezialisierten Tierärztin Kerstin Pannhorst, um Sandy einmal begutachten zu lassen. Sie stand kurz vor ihrem 13. Geburtstag. Das Aufstehen fiel ihr nicht mehr so leicht. Nach größeren Belastungen tendierte sie zum Lahmen. Seit Anfang des Jahres gab ich nun Collagile Dog, wodurch sie nicht mehr lahmte und insgesamt wieder beweglicher wurde. Was mir dennoch Sorgen machte, war, dass sie hinten “spitz” stand. Beim Propriozeptionstest, bei dem man eine Pfote auf dem Pfotenrücken aufsetzt, korrigierte sie erst sehr spät. Unsere "normale" Tierärztin meinte, das läge am Alter; die Nerven würden nun eben nachlassen.

Frau Pannhorst befand, dass Sandy für ihr Alter in einem sehr guten Zustand war. Der Röntgenbefund ergab an zwei Stellen Spondylosen, aber auch das war ein Befund, der altersgemäß im grünen Bereich war und vergleichsweise eher leicht einzustufen war. Mit vielen guten Tipps für Massagen und Kräftigungsübungen fuhren wir wieder nach Hause. Sandy wurde wieder fitter, und ein Jahr lang hatten wir keine Probleme.

Im September 2018 rannte Sandy in voller Begeisterung und maximaler Geschwindigkeit über das Feld - und stolperte. Danach konnte sie ihren linken Hinterlauf nicht mehr aufsetzen. Ich gab ihr wieder Cimalgex. Eine Besserung trat jedoch nicht ein. Aus unserer Tierarztpraxis, in der zwei Tierärzte praktizieren, bekam ich auch noch zwei unterschiedliche Aussagen. Einmal: "Der Hund hat Schmerzen." Und dann vom anderen Tierarzt: "Der Hund hat das Gefühl in dem Bein verloren, die Nerven funktionieren nicht mehr." Letztere Aussage sollte sich als richtig erweisen, aber leider beließ man es bei der Gabe von Schmerzmitteln.

Den Tipp, es mit einer Physiotherapie zu versuchen, bekam ich erst bei unserer Hunderunde. So kam es, dass wir Tierphysiotherapeutin Nina Schwarz um Hilfe baten. Sie brachte dann auch endlich den Begriff Cauda Equina Syndrom ins Spiel.

Cauda Equina Syndrom: Hund belastet Hinterlauf nicht
Kurz nach dem Rennunfall: Sandy kann nicht mehr auftreten.

Therapie des Cauda Equina Syndroms

Nina begann mit der Behandlung, einer Mischung aus Chiropraktik, Physiotherapie und Naturheilkunde. Sie brachte Rückenwirbel wieder in die richtige Position und richtete Sandys Becken gerade. Massagen, Lasertherapie und Akupunktur halfen, die Muskulatur zu lockern und die Durchblutung zu fördern. Und obendrein hatte sie so viele gute Tipps für uns! Das Wichtigste war nun, die Nerven regelmäßig zu stimulieren, indem unterschiedliche Reize gesetzt werden. Eine ganze Menge kann man selbst ergänzend zur professionellen Therapie durchführen:

  • Kälte- und Wärmereize an den Pfoten
  • Pfotenmassagen
  • sanfte Kneifmassagen
  • Wechselduschen
  • Bürstenmassagen
  • Igelball einsetzen
  • ggfs. Vibrationsplatte (wir haben zufällig so ein Teil zu Hause, und Sandy geht gern drauf)
  • Körnerkissen auflegen

Außerdem empfahl sie mir die regelmäßige Gabe von Vitamin B1, dem Vitalstoff für Nerven und Muskulatur - also ganz wichtig beim Cauda Equina Syndrom.

Unser Gegenspieler war der Winter. Kälte und nasskaltes Wetter sind keine Freude für alte Hunde. Frieren führt zu Muskelverspannungen, und die Durchblutung klappt bei Kälte auch nicht besonders.  Dennoch schafften wir es, langsam Fortschritte zu erzielen und Sandys Gangbild wieder zu verbessern.

Den Rücken warm halten: Der Hund darf nicht auskühlen

Einen Hundemantel für den Winter verwenden wir für Sandy schon seit einigen Jahren. Nun achteten wir also noch mehr darauf, sie immer gut eingepackt mit nach draußen zu nehmen, und je älter sie wird, desto eher muss sie etwas anziehen: Bei Temperaturen bis etwa 5 Grad bekommt sie entweder ihren warmen Hundemantel oder einen selbst gestrickten Wollpullover angezogen. Bis 9 oder 10 Grad – abhängig auch vom Wetter insgesamt, ob nass oder trocken, sonnig oder windig –  bekommt sie ggfs. einen leichten Hundemantel an.

Hund mit Hundemantel im Winter.
Sandy in ihrem Wintermantel.
Man sieht auf diesem Bild auch die spitze Pfotenstellung hinten.

Nina gab mir den Tipp, Sandy vor einem längeren Spaziergang ein Körnerkissen aufzulegen, damit sie "warm" nach draußen geht. Die Durchblutung ist dann angeregt und die Bewegungen sind weicher.

Ich zerbrach mir den Kopf, wie ich auch unterwegs Sandys Hüftbereich warm halten könnte. Gerade die etwas leichteren Mäntel deckten die kritische Körperzone nicht ausreichend ab. Ich googelte wie verrückt nach "Hüftwärmer Hund" und ähnlichem, aber scheinbar wurde so etwas noch nicht erfunden. Und dann entdeckte ich endlich genau das, was ich gesucht hatte: Einen Hüftwärmer, zwar für Menschen, aber wie für Sandy gemacht.

Sandy hat im Winter nun immer einen warmen Pöppes.*
Plüschiger Hüftgürtel für Hunde, der eigentlich ein Nierenwärmer für Menschen ist: Hier gibt's den Hüftwärmer*

Mittlerweile hat sie aber auch noch einen maßgefertigten Wollpullover, der lang genug ist und ihre Hüfte und Oberschenkel warm hält.

Das Schleifen mit den Pfoten: Krallenschutz

Sachen gibt's, die gibt's gar nicht, aber auch eine Menge, von dem man nicht gedacht hätte, dass jemand so etwas erfunden hat. Der Krallenschutz ist sowas. Auf den ersten Blick etwas verrückt, dem Hund so etwas wie künstliche Nägel aufzuziehen. Auf den zweiten Blick sind es eher Schutzhüllen, und sie sind genial.

Hunde mit dem Cauda Equina Syndrom fangen über kurz oder lang wohl alle an, die Hinterpfoten über den Boden zu schleifen. Erst führt das zu einer leichten Abnutzung der betroffenen Krallen. Irgendwann aber sind sie so "durch", dass das "Leben" in Mitleidenschaft gezogen wird. Die Folge sind Entzündungen und noch größere Probleme beim Laufen als ohnehin schon. So weit kam es bei uns zum Glück nicht.

Nina empfahl mir den Krallenschutz, als ich ihr von der Problematik erzählte, dass Sandy häufiger auf glatteren Böden hinten wegrutscht. Zwar habe ich überall, wo es mir möglich war, Teppiche gelegt, aber im Treppenhaus und bei meiner Mutter in der Wohnung gibt es Fliesen. Der Krallenschutz gibt Sandy mehr Grip und schützt ihre Krallen gleichzeitig  vor der übermäßigen Abnutzung durch das Schleifen.

Wir haben die transparenten Soft Claws.
Ich habe mir beim ersten Mal den Spaß erlaubt, die Hüllen mit Glitzernagellack zu verzieren.
War aber nach dem ersten Spaziergang direkt wieder runter.
Soft Claws sind nicht nur ein Krallenschutz, sondern geben dem Hund auch mehr Grip:
Hier gibt's den Krallenschutz*

Muskelaufbau mit Hilfe von Gewichtsmanschetten

Durch die Schonhaltung verlor Sandy schnell Muskulatur. Ihr gesamtes Hinterteil fiel immer mehr ein, links schlimmer als rechts. Sie legte ihr gesamtes Gewicht beim Laufen nach vorne. Wenn sie stand, konnte man eine Hand unter ihren Bauch legen und sie hinten ohne Anstrengung hochheben, so dass sie quasi einen Handstand bzw. Pfotenstand machte.

Muskeln werden nur durch Bewegung und Beanspruchung wieder stark. Ich kaufte für Sandy daher eine Gewichtsmanschette, später auch noch eine zweite. Diese trug sie bei jedem längeren Spaziergang an den Hinterbeinen. Wir fingen langsam an (wenig Gewicht, nur ein paar Minuten) und steigerten dies täglich.

Obendrein hatte ich das Gefühl, dass die Manschetten ihr mehr Stabilität gaben und ihr dabei halfen, ihre Hinterläufe wieder besser zu spüren.

Die Manschetten von Nature Pet, die ich gekauft habe, sind intelligent konzipiert. Sie haben fünf Taschen für die Gewichtsriegel, die man auch noch einzeln verkleinern kann. Menge und Gewicht hängen von der bestellten Größe ab. In Abstimmung mit einem Tier-Physiotherapeuten kann hier das Gewicht individuell festgelegt werden. Sandy trägt Größe M. Ich habe bei ihr maximal 120 Gramm angewendet, dann aber nur für ein paar Minuten.

Die Gewichtsmanschette von Nature Pet
Bestell-Link*

Bewegung oder Ruhe beim Cauda Equina Syndrom?

Ich habe natürlich viel über das Cauda Equina Syndrom recherchiert. Überall liest man von therapiebegleitender umfangreicher Bewegungseinschränkung. Ich glaube, wir haben den richtigen Zeitpunkt dafür schlicht und einfach verpasst. Bis heute bin ich mir aber nicht sicher, ob dies für uns wirklich der richtige Weg gewesen wäre. Wir haben Sandy nach der Anfangsphase, in der sie teilweise hinten links gar nicht mehr auftrat, nicht übermäßig geschont. Je nach Tagesform gab es zumindest einen mittelgroßen Spaziergang täglich (d. h. mindestens 45 Minuten, mindestens 3 Kilometer). Die Spaziergänge in der ersten Zeit waren immer sehr langsam, nach Bedarf gab es Pausen. Aber eine wochenlange Ruhephase haben wir nicht eingehalten.

Bei einem Hund in bereits recht hohem Alter (sie war bereits 13, als es akut wurde) befürchte ich, die Kondition und die Gesamtkonstitution durch lange Schonung so sehr herunterzufahren, dass ich den Hund nicht ansatzweise wieder so fit bekomme, wie er einmal war. Mir ist dabei durchaus bewusst, dass das Cauda Equina Syndrom vermutlich nicht (mehr) geheilt werden kann und dass "fit" in dem Alter nicht das Gleiche bedeutet wie bei einem jungen Hund.

Es ist ein Abwägen, was die Lebensqualität angeht. Einem Hund, der ohnehin nicht mehr viel Zeit hat, die Tageshighlights zu streichen, um dafür die Chancen einer Heilung zu steigern oder dem Hund das zumuten, was wir für vertretbar und angenehm halten und dabei vielleicht riskieren, weniger Fortschritte zu machen. Die Nervenfasern können sich wieder regenerieren, auch wenn dies Monate dauert.

Apropos Fortschritte: Die haben wir gemacht. Es war ein langwieriger Prozess, bei dem es auch immer wieder Rückschritte gab.

Zustand September 2018: "Spitze" Pfoten hinten (beide), Lahmheit hinten links, starkes Hoppeln beim Traben, Rennen unmöglich. Im Stand permanente Schonhaltung bzw. Fehlstellung/falsches Aufsetzen hinten links.

Zustand Februar 2019: Beide Hinterpfoten stehen wieder richtig flach, keine Lahmheit mehr, fast flüssiger Trab mit nur noch minimalem "Hopsen", Rennen geht wieder (altersgemäß nicht mehr ganz so schnell), falsches Aufsetzen der Pfote hinten links nur gelegentlich.

Zustand Februar 2020: Sie steht hinten wieder sehr gut flach und kraftvoll, schleift aber nun rechtsseitig, so dass wir immer ein Auge auf die Zehen haben müssen. Sie ist nun fünfzehneinhalb. Wir können keine Wunder mehr erwarten, aber wir haben trotzdem viel geschafft in den letzten Jahren. Sie lahmt dafür aber hinten nicht mehr und spielt jeden Tag ein bisschen bei den Jungspunden mit.

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